Das Atelier für Sonderaufgaben von Frank und Patrik Riklin leistet Pionierarbeit. In Zwhatt betonierten sie ein Museum ins Fundament ein und machten das Quartier so zum ersten Ort der Welt, der auf Kunst gebaut ist. Die Brüder sammelten Alltagsobjekte, die Menschen rund um Regensdorf für die Vision hergaben und zersägten sie in zwei Hälften. Je zwei Teilstücke von Gegenständen mit gleicher Funktion, aber aus unterschiedlichen Haushalten, fügten sie zu einem neuen Ganzen zusammen. So zum Beispiel zwei Schaukelpferde oder zwei Bügelbretter. Mitte 2023 betonierten sie das letzte Exponat ihrer sogenannten «Fondation Riklin» ein.

Sie machen mehr Kunst unterm Bau als Kunst am Bau. Was soll daraus entstehen?
Frank Riklin:
Die Fondation Riklin konserviert die gemeinsam mit der Pensimo entwickelte DNA von Zwhatt im Fundament: die unerwartete Begegnung. Jetzt wollen wir diesen Wert beleben und hoffen, dass das auch bei den Leuten ankommt, die hier einziehen. Es soll ein Ort werden, wo Menschen sich auf unübliche Weise begegnen.

Patrik Riklin: Neubausiedlungen gibt es viele. Oft liest man den Spruch: «Gehen Sie mit uns in die Zukunft.» Aber was heisst das? Was macht eine Siedlung unverkennbar? Und wie kultiviert und verkörpert sie ihre Werte? Cool und modern wollen alle sein. Zwhatt wird es vielleicht wirklich.

Wie stellen Sie sich den Alltag im Zwhatt vor?
FR: Als lustvolles, positiv-subversives Quartier. Voller Menschen, die offen für unerwartete Begegnungen sind und für eine unübliche Nachbarschaft.

PR: Mit Leuten aus allen möglichen Richtungen. Sonst wird es zum Szenequartier. Wir überlegten uns: Wie bringen wir den Geist der Fondation Riklin in den Alltag? Dafür haben wir das Wort «verzwhatten» erfunden: Dinge oder Menschen zusammenbringen, die noch nicht zusammen gefunden haben. Das soll das Leben in dieser Nachbarschaft prägen.

«Wir überlegten uns: Wie bringen wir den Geist der Fondation Riklin in den Alltag?»

Patrik Riklin

Was heisst das konkret?
FR: Nehmen wir die Pizzeria, die hier einzieht. Welche Spielmöglichkeiten bieten sich da an? Vielleicht kommt es während des Essens zu «rabattwirksamen Verzwhattungs-Rochaden» bei den Sitzplätzen, sodass man bei jedem Besuch Menschen kennenlernt und immer wieder in neue, vermeintlich absurde Konstellationen eintaucht.

Noch ist die Kunst nicht im Alltag angekommen.
PR: Das Museum ist unter der Erde, klar. Aber wir haben alle Prozessschritte vom Sammeln und Herstellen der verzwhatteten Kunstwerke bis zum Einbetonieren dokumentiert. Wohnungen und Tiefgaragen könnten temporäre Galerien werden, in denen sich die Menschen auf unübliche Weise über den Weg laufen. In Quartieren mangelt es oft an Leben, weil die Leute wenig Zeit, Energie oder Interesse an den anderen haben. Das soll hier anders sein.

FR: Zwhatt ist ein Ort, an dem etwas versucht wird. Nicht einfach ein weiteres Neubauviertel, in dem Wohnungen angeboten werden. Wohnungen von diversen Architekten, aus verschiedenen Materialien, zu unterschiedlichen Preisen. Der Kern aber sind die Menschen, die hier leben werden. Wir wollen Möglichkeiten für unübliche Begegnungen schaffen. Dazu dient das dokumentarische Oeuvre der Fondation Riklin als «transitorisches Vehikel», das immer wieder daran erinnert, auf welchem Fundament man hier wohnt.  

Wenn Sie den Auftrag bekommen hätten, Zwhatt von Anfang an zu gestalten: Was hätten Sie gemacht?
PR: 
Wir hätten Zwhatt nicht als einzelne Baukörper entworfen, sondern die Häuser auf unerwartete Weise verbunden. Zum Beispiel ein Altersheim mit einem Wohnhaus. Im Alltag würde das etwa heissen: Wer zur Arbeit geht, muss durch den Esssaal des Altersheims. Der Arbeitsweg wird zum Happening.

FR: Wer Umwege geht, wird ortskundig, heisst es. Schon ein kleiner Umweg kann zu überraschenden Perspektiven und neuen Handlungsoptionen führen.

Soll es Regeln für das Zusammenleben geben?
PR: Wir wollen die Leute nur inspirieren. Es geht nicht um ein Dogma, sondern darum, einen Alltag zu entwerfen, in dem die «unerwartete Begegnung» im Zentrum steht.

FR: Uns geht es um eine geistig-soziale Architektur. Die Bausubstanz ist nachhaltig, das Sozialleben soll es auch sein.

«Wer Umwege geht, wird ortskundig, heisst es.»

Frank Riklin

Was trägt Ihre Idee dazu bei, damit Zwhatt Teil von Regensdorf wird?
FR: Wir haben die Leute eingebunden, die schon hier leben. Alle verzwhatteten Kunstwerke im Fundament kommen von ihnen. Wenn man mit Leuten eine Beziehung aufbaut, bekommt man ein Gespür für den Ort. Am Anfang liebten wir Regensdorf nicht, heute schon. Vor allem dank der Menschen.

Zur Person
Als Kinder bauten Frank und Patrik Riklin ein ganzes Hüttendorf im St. Gallischen Wald und betonierten Fundamente in die Erde. Mit unterirdischer Kunst wurden sie berühmt: 2008 verwandelten sie einen Zivilschutzbunker in ein «Null Stern Hotel». 2012 machten sie mit ihrer Aktion «Fliegen retten in Deppendorf» aus einem Insektizidhersteller einen Insektenretter. Und auf einem Berg am Rande der Alpen versammelten sie die «Dorfpräsidenten» der sechs kleinsten politischen Gemeinden Mitteleuropas zu einem Gipfeltreffen der anderen Art. In Regensdorf kehrten sie zu ihren Anfängen zurück: Sie liessen Kunst in die Erde ein und hoffen nun, dass dieser Nährboden den Alltag im Quartier prägt – dafür steht die «Fondation Riklin». Frank und Patrik Riklin sind Zwillinge und kamen 1973 in St. Gallen zur Welt. Beide machten eine Lehre als Hochbauzeichner, beide besuchten die Kunsthochschule. Mit ihrer Arbeit wollen sie die Menschen zu Kompliz:innen ihrer künstlerischen Idee machen und ein Publikum jenseits von Galerien und Museen erreichen.

Weiteres
→ fondationriklin.ch

Interview: Adrian Schräder, Florian Leu
Bilder: Désirée Good, Fondation Riklin

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