Herr Lütjens, Herr Padmanabhan, was braucht es, um aus einer Überbauung ein lebendiges Quartier zu machen?
Oliver Lütjens: Es braucht Menschen, die zusammenleben wollen. Und einen Lebensraum, der die vielfältigen Bedürfnisse und Lebensvorstellungen dieser Menschen aufnehmen und erfüllen kann. Dafür muss man Räume und Gebäude zur Verfügung stellen, die dies jetzt und in der Zukunft ermöglichen.

Ist Zwhatt ein solcher Ort?
Thomas Padmanabhan: Zumindest stimmen die Vorzeichen: Sowohl bezüglich Architektur und Städteplanung als auch Soziologie, Ökonomie und Nachhaltigkeit zielt man darauf ab, nicht nur auf der Höhe der Zeit zu sein, sondern ihr wenn möglich sogar vorauszugehen.

Auf dem Zwhatt-Areal sind alle Gebäude ein bisschen anders. Eine Eigenwilligkeit der Architekten?
OL: Wir empfinden die Architektur der einzelnen Gebäude als gar nicht so verschieden – und es gibt ja auch seit Beginn einen gemeinsamen Dialog unter allen Beteiligten. Was hingegen stimmt, ist, dass hinsichtlich der Nutzung und den sozio-ökonomischen Anforderungen Wert auf eine hohe Diversität gelegt wird. Im Holzhochhaus von Roger Boltshauser werden etwa andere Menschen mit anderen Bedürfnissen und Budget wohnen als in unserem Längsbau. Dies widerspiegelt sich in der Eigenständigkeit der einzelnen Gebäude.

TP: Wir sehen die Häuser wie eigenständige, starke Charaktere, die für ein gemeinsames Ganzes zusammenkommen.

Sie haben ein Gebäude mit erschwinglichen Mietlofts entworfen und umgesetzt. Was waren die Gedanken dahinter?
TP: Der finanzielle Rahmen war von Beginn sehr eng. Unsere Herausforderung war, die Kosten tief zu halten, ohne dass das Projekt hochgradig banal und somit lebensfremd und deprimierend werden würde. Die Frage, die wir uns stellten: Können wir etwas wirklich Günstiges und gleichzeitig Besonderes bauen?

Und?
TP: Heute wissen wir: Ja, wir können!

Wie funktioniert’s?
OL: Indem man sich überlegt, was man vereinheitlichen oder weglassen kann. Beim Längsbau haben alle Wohnungen das gleiche Bad, die gleiche Küche, die gleiche Wendeltreppe. Aber sie haben auch alle einen zweigeschossigen Luftraum, der selbst die Wohnungen der Grösse S unglaublich grosszügig macht. Sie sind für Ein- bis Zwei-Personen Haushalte konzipiert und brauchen dank der Anordnung über zwei Etagen keine Zimmertrennwände.

TP: Und, wo immer möglich, sparen wir beim Innenausbau. Die meisten Wände sind komplett unbehandelt. Roher Beton.

Sie sprechen den Sichtbeton an?
TP: Nein, wir meinen Beton, der ohne Sichtanforderung erstellt wird. Die Wände sind unbehandelt, sie zeigen Maserungen und Verfärbungen. Somit ist jede Wohnung individuell. Das Rohe und das Zusammengesetzte sind Teil eines offenen Lebensgefühls, das zur Aneignung einlädt.

«Die Frage, die wir uns stellten: Können wir etwas wirklich Günstiges und gleichzeitig Besonderes bauen?»

Thomas Padmanabhan

Weshalb sind die Wohnungen zweigeschossig?
OL: Es ging uns darum, innerhalb der zulässigen Baumasse möglichst viel vermietbare Fläche unterzubringen, um die Kosten pro Quadratmeter Mietfläche und damit auch die Mieten tief zu halten. Dadurch, dass wir die Balkone nur auf jedem zweiten Geschoss anordnen, gewinnen wir in den Wohnungen an Fläche.

TP: Die zusätzliche Stufung entstand wegen der Nähe zum Hochhaus H1. Der Längsbau stuft sich nach hinten ab, der Balkon wird zur Terrasse, die sich nach oben zum Himmel und zum Turm H1 hin öffnet. Somit haben wir auf jedem Geschoss Maisonette-Lofts mit identischer Ausstattung. Wie bei Kleidung gibt es sie in vier Grössen: S, M, L, XL.

Es sind Wohnungen mit spektakulären Räumen. Aber trotzdem: Regensdorf ist nicht New York …
OL: Natürlich ist Regensdorf nicht New York! New York ist aber mittlerweile so teuer, dass sich nur sehr privilegierte Menschen ein «cooles» Loft leisten können …

TP: In Soho, wo einst Künstler:innen in leere Gewerbehäuser eingezogen sind, gibt es jetzt nur noch hochpreisige Appartements, Luxusboutiquen und Hotels. Die lebendige, offene Stadt entsteht heute anderswo. Warum nicht in Regensdorf?

Zu den Personen
Oliver Lütjens (*1972), und Thomas Padmanabhan (*1970) führen seit 2007 das Architekturbüro Lütjens Padmanabhan Architekt*innen in Zürich. Einen Namen machte sich das Büro mit preisgünstigen Wohnbauten für die Stiftung PWG und durch den Bau der Schweizer Botschaften in Bogotá und Algier. Nebst Lehrstellen in München und Lausanne hatten die beiden von 2020-2023 eine Gastprofessur an der Harvard University Graduate School of Design inne. Ab Herbst 2023 werden sie als Gastdozenten an der ETH Zürich unterrichten.

Längsbau
→ Hier können Sie sich die Lofts von Lütjens Padmanabhan anschauen.

Interview: Adrian Schräder
Bilder: Désirée Good

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