Ein Problem, zwei Etagen, zwei Lösungsansätze.

Während die Wohnungssuche in und um Zürich eine grosse Herausforderung darstellt, stehen im Kanton knapp 450'000 Quadratmeter Büroflächen frei, Tendenz steigend. Im Winkelbau auf dem Zwhatt-Areal erproben zwei Architekturbüros im Auftrag der Pensimo Management AG Lösungsansätze, um die ungenutzten Büroflächen in Studios und kleine Wohnungen umzubauen. Jedes lotet auf seiner Etage aus, wie man den schmucklosen Gewerbebau aus den 80er-Jahren in attraktiven und bezahlbaren Wohnraum umnutzen könnte – und erfasst, welche Hürden es dabei zu überwinden gilt.

Lösung 1, EMI Architekt*innen, 4. OG, Kachelofen 2.0

Eine Hürde, die sich nur umgehen lässt, ist die Fassade: Sie bleibt unberührt, weil sonst die Kosten in keinem Verhältnis mehr stünden. «Die ungenügend gedämmte Fassade», sagt Elli Mosayebi, «lässt einen die Jahreszeiten, das Wetter, die Umgebung spüren.» Mosayebi ist Partnerin bei EMI Architekt*innen, lehrt an der ETH Architektur und Entwurf und hat sich als Wohnforscherin einen Namen gemacht. Das Konzept, das an ihrem Lehrstuhl entwickelt wurde und von ihrem Architekturbüro aktuell im 4. Obergeschoss des Winkelbaus realisiert wird, ist die Fortschreibung des traditionellen Kachelofens: einzelne Wohnelemente, deren Wände beheizt sind.

Es sind drei unterschiedliche Elemente, über deren Wände sich Heizungsrohre schlängeln, die mit Lehm verputzt und in die einzelnen Wohneinheiten gestellt werden. Ein Kreisrundes mit einer Dusche. Ein kleines Ovales mit der Toilette. Ein längliches Ovales mit einer kleinen Küchenzeile. Die vorgefertigten Metallelemente wurden mit einem Kran durch die Decke ins Gebäude gehievt. Diese drei Kachelöfen in Kombination mit rund 40 Metern Vorhangstangen und grossen Vorhängen erlauben es, «Wärmelandschaften zu modellieren», wie es Mosayebi beschreibt. «Die Vorhänge sind mit Aluminiumfäden versehen, damit sie die Wärme reflektieren. So lassen sich je nach Bedürfnissen wärmere und kältere Zonen schaffen.» Statt die Fassade zu dämmen, wurde in eine nachhaltige Wärmeerzeugung investiert, «so ist die Wärme, die entweicht, immerhin sauber».

Mosayebis Konzept kann auch eine temporäre Komponente enthalten: «Es ist möglich, die Elemente an einem Ort aus- und am anderen wieder einzubauen», sagt Elli Mosayebi. Wenn an einem Ort plötzlich wieder Büroflächen benötigt werden – oder ein Gebäude nach einigen Jahren dennoch abgerissen wird.

Lösung 2, Baubüro in situ, 3. OG, Re-use

Ein Warenlift verbindet die Experimentierfläche von Elli Mosayebi mit jener von Ralph Alan Mueller. Ein Stock unter EMI Architekt*innen arbeitet das Baubüro in situ an seinem Ansatz, der Wohnungskrise zu begegnen. Ralph Alan Mueller, der Projektleiter, sagt: «Wir wollen mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viel erreichen.» Stichwort Re-use. Die zentralen Fragen: Was ist schon da? Was können wir wiederverwenden? Was anpassen und was umnutzen?

Nun führen alte Türen in die Badezimmer, die Raumnummern daran erzählen davon, dass diese einmal in einen Büro- oder Konferenzraum hier auf dem Zwhatt geführt haben. In den Bädern hinter diesen Türen sind Apparate verbaut, die bereits Jahre auf dem Buckel haben.

Um nach den geeigneten Teilen zu suchen, hat das Büro eine Tochterfirma gegründet und einen neuen Job kreiert: Bauteiljäger:in. Diese suchen nach Material, das für aktuelle Projekte von in situ benötigt wird. «Logistisch ist Re-use aufwändig», sagt Mueller. Der Winkelbau eigne sich gut dafür, weil im Untergeschoss grosse Lagerflächen zur Verfügung stehen. Dort stellten sie die Küchen ein, die in Chur in Alterswohnungen ausgebaut wurden. Lavabos aus einem Abbruchhaus in Zürich. Eternitplatten in verschiedenen Farben, die Produktionsmängel aufweisen und von den Bauteiljäger:innen vor der Mulde gerettet wurden. Und eben die alten Bürotüren, bis sie wieder verwendet werden konnten.

Re-use sei ein Gebot der Zeit, sagt Mueller. «Die Klimakrise zeigt uns, dass wir nicht einfach weiterfahren können wie bisher.» Wie bisher heisst: Alles entsorgen, alles ersetzen, alles neu. Hier funktioniert es ganz anders. Die Struktur des Gewerbebaus wurde belassen und die neue Nutzung wurde darin eingepasst. Auch das ist sichtbar, etwa an den zahlreichen Materialwechseln. «Das Aufeinandertreffen von Alt und Neu spielt mit der Geschichte und regt zum Nachdenken über den Umgang mit Ressourcen an», findet Ralph Alan Mueller. Ressourcen sowohl im Sinn von Material als auch im Sinn von Raum.

Und da wären wir wieder beim Ausgangspunkt: Zu viele leerstehende Büroflächen und zu wenig Wohnraum zeugen auch davon, dass mit der Ressource Raum verschwenderisch umgegangen wird.

Text: Nicola Brusa
Bilder: Désirée Good

Alle Beiträge
Zwhatt-Bot

Hallo! Ich bin der Websiteassistent für die Zwhatt-Website. Hast du Fragen? Ich helfe dir gerne weiter.

Ich werde versuchen, deine Fragen schnell und korrekt zu beantworten. Es kann jedoch vorkommen, dass ich mich irre. Die Informationen auf der Webseite von Zwhatt sind verbindlich.